Krisengespräch

Bis die Gefühle zurückgekehrt sind hat es nicht lange gedauert. Mittwoch Abend kamen sie wie ein Schlag in die Fresse zurück. Ich saß bei der Arbeit und irgendwann war alles einfach nur noch zu viel. Zum Glück sitze ich mittwochs alleine in einem Büro, denn ich saß zwei Stunden heulend bei der Arbeit. Es war zu viel, viel zu viel. Ich habe mich geschnitten. Ich konnte nicht anders. Es ist tiefer als sonst.

Wegen all dem habe ich Donnerstag Vormittag eine Mail an meine Therapeutin geschickt mit folgendem Inhalt:
Hallo Fr. Therapeutin,
ich weiß wir haben bereits am Montag unseren nächsten Termin, aber die letzten Tage waren so grauenhaft, es ist mir alles zu viel und ich bin komplett in meinen destruktiven Gedanken gefangen. Das hat auch schon wieder zu neuen Verletzungen geführt und der Wunsch nach mehr ist riesig. Deswegen wollte ich fragen, ob sie kurzfristig noch einen weiteren Termin für mich hätten.
LG Meli.

Sie hat mir Donnerstag Abend geantwortet und mir einen Termin für Freitag Morgen angeboten, den ich dankend angenommen habe.

Der Termin, das Krisengespräch wie die Therapeutin es genannt hat, war schwierig. Es fiel mir wieder schwer zum Ausdruck zu bringen was mich wirklich beschäftigt, auszudrücken, dass es mir wirklich schlecht geht. Ich muss wohl wieder sehr gefasst gewirkt haben.
Meine Therapeutin meinte sie hätte in der Mail schon die Verzweiflung und so bemerkt, aber wenn ich vor ihr sitze hätte sie das Gefühl, dass ich sie nicht richtig an mich ranlassen will…
Habe ihr dann erklärt, dass ich ganz automatisch eine Maske aufsetze und dann so gefasst wirke und mir das, dadurch, dass das schon so lange genau so abläuft, gar nicht mehr direkt auffällt, sondern oft erst wenn mir das jemand sagt, wie z.B. als ein Freund das am Mittwoch sehr ähnlich wie sie zu mir meinte, der auch total irritiert war weil das was er gesehen hat und das was ich geschrieben habe absolut nicht zusammenpasste.
Sie meinte, dass wir überlegen müssten ob die Termine mit ihr momentan ausreichen würden oder ob ich nicht doch besser in eine Klinik gehen sollte. Genau davor hatte ich Angst, dass sie sowas sagt. Das will ich nicht hören, ich will das nicht machen, ich will mich nicht wieder auf neue Leute einlassen müssen. Ich habe mich doch gerade erst an meine Therapeutin und Psychiaterin gewöhnt und jetzt soll ich wieder anderen vertrauen?! Ich kann, ich will nicht. Auch wenn ich weiß, dass es schwachsinnig ist, aber es fühlt sich an als ob mich wieder jemand abschieben will.

Sie wirkte aufrichtig besorgt. Sie will mir gerne helfen. Ich scheine aber den Eindruck zu vermitteln, dass ich das nicht will… Ich soll jetzt bei unserem nächsten Termin am Montag versuchen die Maske sinnbildlich an der Garderobe aufzuhängen und zulassen, dass man sieht wie es mir wirklich geht. Wenn ich nur wüsste wie ich das hinbekommen soll. Ich will ihr aber beweisen, dass ich ihre Hilfe wirklich will. Ich will nicht wieder hören, dass ich besser in eine Klinik gehen sollte. Zum Ende hin hat sie dann gefragt ob wir noch etwas ausmachen können. Ich habe erst nicht verstanden was sie meinte und musste nachfragen. Sie bezog sich auf die Selbstschädigungen. Wir haben dann ausgemacht, dass ich mich bis Montag nicht verletze bzw. alles daran setze es nicht zu tun und die Skill-Liste (die sie mir vor Wochen gegeben hat) durchgehe, wenn ich mich verletzen will und versuche herauszufinden was mir davon helfen könnte. Diese Absprache stresst mich. Die Verletzungen von Mittwoch jucken, was es mir nicht einfacher macht nicht wieder zu einer Klinge zu greifen. Die Skill-Liste liegt hier rum, aber ich kann mich nicht motivieren irgendwas neues davon auszuprobieren. Desweiteren soll ich mich mal über die Tageskliniken in der Region informieren, quasi als „abgemilderte“ Variante eines Klinikaufenthaltes. Auch das mache ich nur sehr wiederwillig. Ich will mit niemand anderem reden müssen, wieder von vorne anfangen müssen. Ich bin zu müde dafür. Ich bin so verdammt müde. In meinem Kopf ist Chaos. Ich fühle mich merkwürdig, ich kann es gar nicht richtig in Worte fassen.

Die Tage ziehen sich wahnsinnig in die Länge. Mein Kopf ist keine Minute still. Wenn es um mich herum leise wird, habe ich das Gefühl, dass mein Kopf gleich explodiert so laut ist es. Ich kann mich nicht konzentrieren oder einem Gespräch oder einem Film oder einer Serie folgen. Ablenken klappt auch nicht wirklich. Ich bin gerade sehr planlos wie es weitergehen soll, ob es weitergehen soll.

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